Kannenpflanzen (Nepenthes) am Naturstandort auf Borneo 2011

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Einführung

Kanne von Nepenthes mirabilis.
Kanne von Nepenthes rafflesiana.

Die Gattung der Kannenpflanzen (Nepenthes) umfasst etwa 100 Arten und kommt nur in den tropischen Regenwäldern Asiens, Madagaskars und Australiens vor. Das Hauptverbreitungsgebiet ist Indonesien.

Die ausdauernden Kannenpflanzen mit halbstrauch- oder lianenartigem Wuchs gehören zu den fleischfressenden Pflanzen. Die Blätter sind zu flüssigkeitsgefüllten Kannen umgestaltet, mit denen die Pflanzen Insekten erbeuten und mithilfe von Enzymen verdauen.

Aufgrund der Abholzung der Regenwälder, der Trockenlegung von Sümpfen und der illegalen Entnahme aus der Natur durch Pflanzenhändler steht die gesamte Gattung vor dem Aussterben und ist mittlerweile durch das Washingtoner Artenschutzabkommen streng geschützt.

Geschichte

Kanne von Nepenthes rafflesiana.
Kanne von Nepenthes mirabilis.

Die erste Erwähnung dieser Pflanzengattung fand 1658 durch den französischen Gouverneur Madagaskars, Étienne de Flacourt, statt. Der von ihm damals gefundenen Nepenthes madagascariensis gab er den Namen Amramitico, allerdings deutete er die Fallen als Blüten fehl. Wenige Jahre später, nämlich 1680, entdeckte der deutsche Forscher Jacob Breyne Nepenthes mirabilis, die er Bandura cingalensis taufte. So wie Flacourt erkannte auch Breyne nicht die Karnivorie der Pflanze. Erst W.J. Hooker entdeckte 1858 den Insektenfang der Kannenpflanzen, etwas mehr als hundert Jahre nachdem Carl von Linné 1753 in seinem großartigen Werk Species Plantarum der Gattung den bis heute noch gültigen Namen Nepenthes gab.

Mittlerweile wurden diverse Fossilien gefunden. Die Altersangaben schwanken je nach Quelle zwischen 20 und 40 Millionen Jahre. Evolutionsbiologisch handelt sich bei Kannenpflanzen um eine relativ alte Pflanzengattung.

Pflanzenbeschreibung

Junger Fruchtstand einer Nepenthes mirabilis.

Nepenthes sind mehrjährige, ausdauernde Pflanzen. Der weitaus größere Teil der Arten wächst terrestisch, weniger Arten zeigen ein epiphytisches Wachstum. Manche Arten bilden eher bodenständige Rosetten, häufiger ist jedoch ein halbstrauch- oder lianenartiger Wuchs mit bis zu über 10 m Länge zu finden.

Zirka 1,5 m hocher Strauch von Nepenthes mirabilis.

Dem Haupttrieb entspringen die einzeln stehenden Blätter, mit zunehmender Wuchshöhe verlängern sich zumeist die Internodien. Die Blätter sind kompliziert umgestaltet. Bei dem, das für den botanischen Laien wie das eigentliche Blatt aussieht, handelt es sich um einen verbreiterten Blattgrund. Das eigentliche Blatt ist zu einer raffinierten Grubenfalle umfunktioniert und dient dem Insektenfang. Das Blatt bildet ein Hohlgefäß, meist schlauch- oder tassenförmiger Gestalt, welches mit saurer Flüssigkeit (pH-Wert teilweise < 3) gefüllt ist. Zwischen den Arten schwanken die Volumina erheblich, die größten Arten bringen es auf bis zu 4 l.

Junge Kanne einer Nepenthes rafflesiana.

Mithilfe von Nektarabscheidungen im Bereich des gerippten und glatten Fallenrands ( Peristom) werden Insekten angelockt, die letztlich von dem glatten Rand abrutschen und in das Kanneninnere fallen können, wo sie ertrinken. Die Zersetzung der Insekten findet durch Enzyme statt, die von der Pflanze selbst gebildet werden. Die Fallen sind passiv, der überdachende Deckel ist unbeweglich und dient letztlich nur als Schutz vor einer Verwässerung des Kanneninhalts durch Regenfälle.

Viele Arten bilden zwei Arten von Kannen aus: Boden- und Hochkannen. Diese Phänomen ist als Anpassung an krabbelnde Insekten bzw. Fluginsekten zu verstehen.

Kannenpflanzen sind diözisch.

Verbreitung

Kanne von Nepenthes mirabilis.

Verbreitungsschwerpunkt der Kannenpflanzen ist Indonesien. Dort kommen sie vor allem auf Borneo (34 Arten) und Sumatra (29 Arten) vor. Außerhalb Südostasiens zeigt sich eine disjunkte Verbreitung. Relativ isolierte Vorkommen finden sich westlich bis Madagaskar (2 Arten), nördlich bis Indien (1 Art) und südlich bis Australien (2 Arten).

Strauch einer jungen Nepenthes rafflesiana.

Alle Arten sind Bewohner der tropischen Regenwälder, in denen sie meist terrestisch als Halbsträucher oder lianenartig wachsen, nur wenige Arten sind Epiphyten. Als Epiphyten werden Pflanzen bezeichnet, die anderen Pflanzen (meist Bäumen) aufsitzen.

Die Biotope weichen hinsichtlich ihrer klimatischen Bedingungen teils erheblich voneinander ab, so dass man die Gattung grob in Tiefland- und Hochlandarten unterteilt.

Tieflandarten wachsen terrestisch in luftfeuchten, ganztägig warmen Regenwäldern unterhalb einer Höhe von 1000 m über NN. Zumeist handelt sich dabei um Sumpfregenwälder. Mehr als die Hälfte der Arten bewohnt jedoch Hochlandregenwälder oberhalb einer Höhe von 1000 m über NN, in denen es zu einer deutlichen Nachtabsenkung der Temperaturen kommt. Oberhalb von 2000 m über NN können die Temperaturen bis knapp oberhalb des Gefrierpunkts fallen.

Vorkommen auf Borneo

Sandiges und trockenes Habitat verschiedener Kannepflanzenarten (Nepenthes).

Jede dritte Kannenpflanzenart ist auf Borneo zu finden. Vor allem in Zentral- und Nordborneo kommen in den Gebirgsregenwäldern eine Vielzahl extrem gefährdeter Hochlandarten wie Nepenthes rajah vor.

Sumpfregenwald, Standort von 10 verschiedenen Kannenpflanzenarten.

Die Tieflandarten sind überwiegend im südlichen Borneo anzutreffen. Leider haben besonders die dortigen Sumpfregenwälder massiv unter der Zerstörung der letzten Jahre und Jahrzehnte gelitten und sind oft nur noch fragmentarisch erhalten. Über 70% der Regenwälder Südborneos wurden in nicht mal einem halben Jahrhundert vernichtet.

Primär zur Primatensuche besuchten wir während unserer Borneoreise die Sumpfregenwälder in dem Gebiet um Tuanan.

Bodenständige Kannen von Nepenthes ampullaria.

Bereits am Wegesrand fanden wir mehrere Arten im Gebüsch, die dort auf nahezu reinem Sandboden in praller Sonne stehen. Die Ausfärbung der Kannen war exzellent. Weder der sehr trockene Standort in der Trockenzeit, noch der vollsonnige Standort verursachten irgendwelche erkennbare Schäden an den Pflanzen.

Zirka 1 m hoher Strauch einer Nepenthes ampullaria.

Auch im Sumpfregenwald fanden wir diverse Kannenpflanzenarten. Dominierende Art war hier Nepenthes ampullaria, die Zweithäufigste Nepenthes rafflesiana.

Der Sumpfregenwald zeigte bei unserem Besuch in der Trockenzeit einen nur leicht feuchten Boden.

Nach Angaben von Einheimischen soll der Standort während der Regenzeit teilweise 30 cm hoch überflutet sein. Auch in der Trockenzeit herrscht im Wald nahezu 100% Luftfeuchtigkeit, die Temperaturen lagen nachmittags immer noch knapp unter 30°C. Das Lichtregime am Waldboden ist sehr schlecht, es zeigte sich nur eine schüttere Untervegetation bei sehr dichtem Kronendach des Waldes.

Gefährdung

Strauch einer Nepenthes mirabilis.
Holztruck mit geschlagenen Riesen.

Mehr als die Hälfte aller Arten ist stark gefährdet und steht kurz vor dem Aussterben! Von der IUCN werden über 50 Arten in ihrer Roten Liste als stark bedroht, bedroht oder gefährdet eingestuft. Dementsprechend ist die gesamte Gattung durch das Washingtoner Artenschutzabkommen geschützt. Nepenthes rajah und Nepenthes khasiana werden im Anhang 1 aufgeführt und stehen somit kurz vor der Ausrottung, die restlichen Arten werden im Anhang 2 aufgeführt.

Die Kannenpflanzen sind durch drei Faktoren gefährdet. Das Hauptproblem stellt die Zerstörung der natürlichen Lebensräume dar. Dies geschieht einerseits durch die Abholzung der tropischen Regenwälder, andererseits durch die Entwässerung der sumpfigen Biotope.

Kanne von Nepenthes mirabilis.
Strauch einer Nepenthes mirabilis.

Besonders in Südborneo hat die Entwässerung und Abholzung dramatische Ausmaße angenommen. Noch in den sechziger Jahren des letzten Jahrhunderts war Borneo fast komplett von Regenwald bedeckt. Inzwischen sind Sumpfregenwälder auf Borneo sehr selten, nicht mal 30% der ursprünglichen Bestände sind aktuell noch erhalten. Dort wo vor nicht langer Zeit noch artenreiche, einzigartige Biotope zu finden waren, wird die Fläche inzwischen als Agrarland genutzt. Monokulturen: Reis, Ananas, Kokosnusspalmen oder Ölpalmen.

Nicht zuletzt sind aber auch Pflanzenfreunde für das Aussterben verantwortlich. Vor allem in der Vergangenheit wurden viele Pflanzen der Natur entnommen, um schließlich beim Hobby-Botaniker einzugehen. Diese Problematik ist nicht mehr so bedeutsam wie in früheren Tagen, dauert aber unverändert an. Auch heute stammen manche angebotene Pflanzen nicht aus Nachzuchten, sondern aus illegalen Wildsammlungen.