Wasserschlauch (Utricularia) am Naturstandort
Einführung
Die Gattung Utricularia stellt mit etwa 220 Arten weltweit die zweitgrößte Gruppe der fleischfressenden Pflanzen dar. Die Anatomie der Utricularien ist kompliziert und zwischen den verschiedenen Arten zudem noch divergent. Um an dieser Stelle einen ausführlichen Exkurs in die Nomenklatur der Botanik zu vermeiden, reduziere ich den Aufbau eines Wasserschlauchs etwas, wenngleich dieser dann anatomisch nicht ganz korrekt ist. Utricularien besitzen keine Wurzeln, vereinfacht bestehen sie aus Sprossen, Fallen, Blättern und Blüten.
Die fleischfressenden Wasserschläuche haben als einzige Pflanzengattung Saugfallen entwickelt. Bei der Saugfalle handelt es sich um ein hochraffiniertes und komplexes Fallensystem. Der Wasserschlauch bildet als Fangorgan kleine Blasen aus, deren Größe zwischen den verschiedenen Arten beträchtlich schwankt. Der Durchmesser variiert von etwa 1 – 10 mm. In der Wand der Fangblase sind kleine Pumpen eingebaut, die Wasser von innen nach außen pumpen, wodurch ein Unterdruck erzeugt und die Blase nach innen eingedellt wird. Die Blase weist daneben eine kleine Öffnung auf, die durch eine Klappe verschlossen ist. An der Klappe befinden sich mehrere Borsten, die bei Berührung die Falle auslösen. Gelangt ein Futtertier (überwiegend Rädertierchen, Wasserflöhe und Fadenwürmer; bei größeren Blasen auch Stechmückenlarven) an eine Borste, wirkt diese als ein Hebel, mit dem das Tierchen die Klappe aus seiner Verankerung löst. Durch den Unterdruck wird die Klappe nun nach innen gesogen und damit auch etwas Wasser sowie das Tierchen, welches sich vor der Klappe befand.
Nachdem es zu einem vollständigen Druckausgleich gekommen ist, schließt sich die Klappe wieder. Der gesamte Vorgang dauert nur 0,02 Sekunden und ist somit die zweitschnellste Bewegung im Pflanzenreich. Schneller ist nur noch der Kanadische Hartriegel (Cornus canadensis), der seine Pollen bei Kontakt innerhalb von 0,3 ms nach oben katapultiert. Anschließend beginnen die Pumpen wieder, das Wasser herauszusaugen und damit den Unterdruck erneut aufzubauen. Parallel sezernieren andere Pumpen Verdauungsenzyme, mit denen das Beutetierchen verwertet wird.
In Deutschland kommen sieben Arten vor, nämlich Utricularia australis, Utricularia bremii, Utricularia intermedia, Utricularia minor, Utricularia ochroleuca, Utricularia stygia und Utricularia vulgaris. Alle deutschen Arten wachsen aquatisch, d.h. im Wasser freischwimmend untergetaucht. Die häufigsten Arten sind der Gewöhnliche Wasserschlauch (Utricularia vulgaris) und der Südliche Wasserschlauch (Utricularia australis), die bis zu 2 m lange Triebe bilden können. Beide Arten findet man nicht selten in Flachmooren, aber auch in anderen nicht zu nährstoffhaltigen Gewässern. Die restlichen fünf Arten bleiben deutlich kleiner und sind fast ausschließlich in Hochmoorschlenken zu finden.
Kleiner Wasserschlauch (Utricularia minor)
Der Kleine Wasserschlauch (Utricularia minor) ist in Deutschland selten zu finden und stark gefährdet. Die Art findet sich einerseits noch gehäuft in Nord- und Ostdeutschland. Ein weiterer Verbreitungsschwerpunkt ist Südbayern. Im restlichen Deutschland ist die Art hingegen sehr selten.
Utricularia minor besiedelt nährstoffarme und saure Gewässer. Er ist daher in Schlenken und Tümpeln in Verlandungs- und Hochmooren zu finden. Dort wird er häufig von den drei heimischen Sonnentauarten begleitet. Insbesondere findet sich in unmittelbarer Nachbarschaft der Mittlere Sonnentau (Drosera intermedia), der nicht selten halbaquatisch wächst.
Der Kleine Wasserschlauch ist eine wurzellose, submerse Wasserpflanze, deren Triebe sehr kurz bleiben und selten eine Länge von mehr als 20 cm erreichen.
Im Gegensatz zu den großen heimischen Wasserschlaucharten sind die Triebe eher spärlich mit Fangorganen ausgestattet, wenngleich diese ihren großen Verwandten hinsichtlich der Effektivität nicht nachstehen.
Im Juli und August erscheinen die eher hell- bis schwefelgelben Blüten. Diese sind sehr klein. Ober- und Unterlippe bilden einen spitzen Winkel, die Unterlippe ist seitlich nach unten geschlagen, so dass diese von oben ziemlich schmal erscheint. Teilweise besitzt die Unterlippe eine dezente, rötliche Zeichnung.
Anfang August 2012 habe ich die Art in einem Verlandungsmoor im Allgäu gefunden. Beeindruckend war das Massenvorkommen. Die Art wurde in ihrem Biotop von Drosera anglica, Drosera intermedia, Drosera rotundifolia und Hammarbya paludosa, einer äußerst seltenen Moororchidee, begleitet.
Südlicher Wasserschlauch (Utricularia australis)
Die häufigste Art ist wahrscheinlich der Gewöhnliche Wasserschlauch (Utricularia vulgaris). Der Südliche Wasserschlauch (Utricularia australis) ist in Deutschland aber nicht wesentlich seltener.
Die Art wurde 1810 von Robert Brown beschrieben und wird heute in die Sektion Utricularia der gleichnamigen Untergattung eingruppiert. Der Südliche Wasserschlauch ist hybridogenen Ursprungs – er ging aus einer japanischen Naturhybride zwischen Utricularia tenuicaulis und Utricularia macrorhiza hervor. Von Japan verbreitete sich die Art westwärts über Asien bis nach Europa, richtung Süden erreichte er Afrika und Australien. In Deutschland findet sich die Art in oligotrophen bis eutrophen Gewässern wie in Tümpeln, Flachmoorgewässern und Torfstichen. Es werden sowohl saure, als auch basische Gewässer besiedelt.
Bei dem Südlichen Wasserschlauch handelt es sich um eine wurzellose submerse Wasserpflanze, deren Triebe bis zu 2 m Länge erreichen können. Die Triebe sind reichlich mit Fangblasen besetzt. Die Fallen sind hocheffektiv. Im Sommer sind nahezu alle Fangblasen aufgrund der gefangenen Beute schwarz gefärbt.
Im Juli und August erscheinen die sehr hübschen Blüten. Diese sind verhältnismäßig groß, von einer kräftigen gelben Grundfarbe. Die Unterlippe weist in aller Regel eine feine, rötliche Streifenzeichnung auf.
Utricularia australis ist von Utricularia vulgaris nur Anhand der Blüte zu unterscheiden. Utricularia vulgaris ist fertil, bildet also Samen aus, wohingegen Utricularia australis steril ist. Die Unterlippe ist bei Utricularia australis flach ausgebreitet und bildet mit der Oberlippe einen rechten bis stumpfen Winkel. Im Gegensatz dazu ist die Unterlippe bei Utricularia vulgaris seitlich nach unten umgeschlagen, die Unterlippe bildet mit der Oberlippe einen spitzen Winkel.
Ich habe diese Art bislang in mehreren Flachmooren in Süddeutschland gefunden, wo sie nicht selten in kleinen Tümpeln massig wächst.
Utricularia arenaria auf Madagaskar
Auf Madagaskar fanden wir im April 2018 an einem Seeufer in feuchtem Sand im Schutze einer Steilwand ein kleines Cluster von Utricularia arenaria in Blüte. Der Standort befindet sich nur wenige hundert Meter von einem Wuchsort von Nepenthes madagascariensis entfernt. Der Wuchsort befindet sich im tropischen Regenwald an der Ostküste von Madgaskar.
Die Art wurde 1844 von Alphonse Pyrame de Candolle beschrieben und wird heute in die Sektion Calpidisca der Untergattung Bivalvaria eingruppiert.
Diese einjährige Art wächst terrestrisch in feuchtem Sand oder auf Torfböden und ist über weite Teile des tropischen und südlichen Afrikas verbreitet. Die sehr kleinen Blüten sind lila gefärbt, mit einer weißen Streifung und einem gelben Schlundfleck. Die Unterlippe ist trapezförmig ausgebreitet.